KMK-Handreichung zum UNESCO-Welterbe
Im Oktober 2017 veröffentlichte die Kultusministerkonferenz eine Informationsbroschüre zum „UNESCO-Welterbe“, mit Beschränkung auf das „UNESCO-Übereinkommen zum Schutze des Kultur- und Naturerbes der Welt“ (Welterbekonvention) vom 16. November 1972 einschließlich der Richtlinien zur Umsetzung (Operational Guidelines). Nicht erwähnt wurden unter anderem das „UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“, die „UNESCO-Konvention zum Schutze des Unterwasser-Kulturerbes“ und das „UNESCO-Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“.
Ziel ist es, mit der Handreichung zur verstärkten Teilhabe aller engagierten und interessierten Akteure die Verfahren und Zuständigkeiten in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland transparenter zu gestalten und zugleich eine stärkere Vernetzung aller beteiligten Akteure zu erreichen.
Die Handreichung ist in gedruckter Form und im Internet erhältlich:
Handreichung der Kultusministerkonferenz zum UNESCO-Welterbe
Die Handreichung beginnt mit einem Vorwort der diesjährigen Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Susanne Eisenmann, und einer namentlich nicht gezeichneten Einleitung. Beide überschneiden sich inhaltlich deutlich. Kritisch vermerkt wird von der Präsidentin der erfolgte Nominierungsboom von Stätten, „nicht zuletzt in der Hoffnung auf touristische Vermarktung“, der zu einer geografischen und inhaltlichen Unausgewogenheit der Welterbeliste mit ihren derzeit 1.073 Eintragungen geführt hat. Dabei stammt etwa die Hälfte aus Europa und Nordamerika (zur Entwicklung vgl. Abbildung 1).
Sie begrüßt daher die vom Internationalen Rat für Denkmalpflege ICOMOS 2004 aufgestellten Forderungen und stellt fest: „Statt monumentaler Kultur- und Kirchenbauten und historischer Stadtkerne sollen in Zukunft beispielweise die landschaftsspezifische und namenlose Architektur, das industrielle Kulturerbe und das Erbe der Moderne verstärkt berücksichtigt werden.“ Abschließend bekennt sie sich namens der Ländergemeinschaft zu deren kulturpolitischer Verantwortung in Einklang mit den Zielen der UNESCO.
In der Einleitung wird auf die globale Strategie des UNESCO-Welterbekomitees von 1994 verwiesen, die auf eine ausgewogene, repräsentative und glaubwürdige Welterbeliste abzielt. Deren Umsetzung erfordere „in Deutschland ein breites Engagement und die aktive Beteiligung von Bund, Ländern und Kommunen sowie von Politik und Gesellschaft“.
Im Kapitel 2 werden unter „Strategien und Perspektiven des Welterbeprogramms in Deutschland“ die Umsetzung der sogenannten 5 Cs und das Prinzip der Nachhaltigkeit vorgestellt. Dabei geht es um
- die Stärkung der Glaubwürdigkeit (Credibility) der Welterbeliste,
- die Sicherstellung der wirksamen Erhaltung (Effective Conservation) der Welterbestätten,
- die Förderung des wirksamen Aufbaus von Kapazitäten (Capacity Building) in Deutschland, das Welterbe zu erhalten,
- die Förderung des öffentlichen Bewusstseins, der öffentlichen Beteiligung und Unterstützung (Communication) für das Welterbe, und
- die Stärkung der Rolle der lokalen Gemeinschaften (Community Involvement) bei der Durchführung der Welterbekonvention.
Zu jedem C wird das Engagement der Länder explizit betont, so
- unter 1. sich auf der Vorschlagsliste zu weiteren Nominierungen zurückhaltend zu verhalten sowie unter- oder nichtrepräsentierte Vertragsstaaten bei der Antragstellung zu unterstützen,
- unter 2. dass sie „unverändert darauf hinwirken, das Kultur- und Naturerbe konsequent zu schützen, zu erhalten und durch nachhaltige Maßnahmen zu sichern“,
- unter 3. sich international über Kooperationsprojekte zu engagieren und staatenübergreifende Nominierungen insbesondere bei thematisch unterrepräsentierten Kategorien zu entwickeln,
- unter 4. Kommunikation und Information in und über Welterbestätten sicherzustellen, die Transparenz zu stärken und das Verständnis für das Welterbe zu fördern, und
- unter 5. die lokalen Gemeinschaften auf allen Stufen und Entscheidungsebenen der Identifizierung, der Nominierung, dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung und Entwicklung von Welterbestätten einzubeziehen, wobei die internationale Dimension leider fehlt.
In Kapitel 3 werden die Zuständigkeiten der einzelnen Instanzen im föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland kurz geschildert. Genannt werden das Auswärtige Amt, die Länder, die Koordinierungsstelle Welterbe im Auswärtigen Amt als Schnittstelle zwischen Bund und Ländern, die Kommunen, die Träger von Welterbestätten sowie die Deutsche UNESCO-Kommission mit ihrem Fachbereich Welterbe. Last but not least werden weitere Vereine, Verbände, Stiftungen und Institutionen ohne Angabe von Anschriften erwähnt, wobei unter anderem die Namen von UNESCO-Welterbestätten Deutschland e. V. und World Heritage Watch und andere NGOs fehlen, wie unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der World Wide Fund for Nature (WWF Deutschland) und beispielhaft einige lokale Initiativen.
Es folgen zwei Anlagen. Annex 1 enthält sieben Merkblätter. Merkblatt 1 beschreibt die grundlegenden Voraussetzungen für die Anerkennung als Welterbe und zitiert ausführlich die Vorschriften aus den Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens. Merkblatt 2 geht noch einmal auf die Zuständigkeiten auf internationaler und nationaler Ebene ein. Hier wird unter weiteren nationalen Akteuren auch der Verein UNESCO-Welterbestätten Deutschland e. V. erwähnt.
Merkblatt 3 zeigt in neun Schritten den komplexen Weg von der Identifizierung einer Stätte bis zur Eintragung in die Welterbeliste auf. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass sämtliche Kosten eines Nominierungs- und Eintragungsverfahrens grundsätzlich „von interessierten und nominierenden Stellen“ sicherzustellen sind. Notwendige Größenordnungen werden allerdings nicht genannt. Merkblatt 4 geht noch einmal vertiefend auf Verfahren, Berichtspflichten und Formalien ein. Merkblatt 5 enthält ein Stufenmodell zur Vermeidung von Konflikten, ohne allerdings auf eine mögliche Kritik nichtstaatlicher Institutionen (NGOs) einzugehen, die sich oftmals auch ad hoc vor Ort bildet. Merkblatt 6 behandelt die Überwachung des Zustands der Welterbestätten, wie sie in den Vorschriften der Welterbekonvention und den Richtlinien für die Durchführung geregelt ist. Merkblatt 7 schließlich enthält Hinweise auf die Notwendigkeit, mit der Anmeldung zur Eintragung in die Welterbeliste einen angemessenen Managementplan beizufügen.
Da sich die Handreichung in erster Linie an diejenigen wendet, die sich noch nicht mit dem UNESCO-Welterbe und einer angestrebten Bewerbung befasst haben, ist der Aufbau des Heftes nicht optimal gelungen. Sämtliche sieben Merkblätter überschneiden sich inhaltlich und sollten daher als Ganzes gelesen werden. Auch sollte die grundlegende Einführung in den Merkblättern 1 und 2 zu allererst gelesen werden, das heißt noch vor dem Studium der fünf Cs.
Beim Studium der Texte wird deutlich, dass diejenigen, die sich um eine Eintragung in die Welterbeliste bemühen, einen mühsamen und langen Weg mit zahlreichen Hürden beschreiten müssen. Für die notwendigen Auskünfte werden in einem weiteren Annex die Ansprechpartnerinnen und -partner in den jeweiligen Ministerien der Länder und Landesdenkmalämtern genannt.
Die Handreichung ist sehr sachlich, eher verwaltungstechnisch geschrieben. Auf Illustrationen wird verzichtet. Auch werden die Namen der Stätten nicht genannt, die sich auf der erwähnten Vorschlagsliste (Tentativliste) Deutschlands für die Nominierungen zur Welterbeliste befinden. Die Schrift geht überhaupt nicht auf Konfliktpotentiale ein, verliert zum Beispiel kein Wort über den für die Bundesrepublik Deutschland unrühmlichen Beschluss des Welterbekomitees zur Streichung der Welterbestätte „Dresdner Elbtal“ von der Welterbeliste. Daher taucht auch das Instrumentarium der „Roten Liste“ (Welterbestätten in Gefahr) überhaupt nicht auf (vgl. hierzu Abbildung 2).
Schließlich fehlt ein Hinweis auf den Beschluss des Deutschen Bundestages vom Juni 2015, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, die Deutsche UNESCO-Kommission „dabei zu unterstützen, ihre Beratungs-, Informations- und Bildungsinitiativen als Kompetenzzentrum zum UNESCO-Welterbe in der Koordination mit anderen maßgeblichen Partnern weiterzuentwickeln“. Die Deutsche UNESCO-Kommission sollte den Mut haben und das Engagement aufbringen, eine zweite, ergänzende Handreichung zu erstellen, in der die Vielfalt der offenen Probleme, Fragen und Konflikte nicht „von oben nach unten“, sondern „von unten nach oben“ analysiert wird, wobei die Internationalität des Projektes „UNESCO-Welterbe“ die notwendige Priorität erhält.
Klaus Hüfner