50 Years World Heritage Convention: Shared Responsibility – Conflict & Reconciliation.
Marie-Theres Albert et al. (Hrsg.): 50 Years World Heritage Convention: Shared Responsibility – Conflict & Reconciliation. Springer Open Access Publication, 2022, 504 S., 42,79 EUR.
Dieses Buch ist anlässlich des 50. Jahrestages der "Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" („Welterbe-Konvention“) erschienen, die am 16. November 1972 von der Generalkonferenz der UNESCO verabschiedet wurde. Präsentiert wurde die Open-Access- Veröffentlichung am 4. November 2022 auf einer Internationalen Konferenz über die Zukunft der Welterbe-Konvention, die im Europasaal des Auswärtigen Amtes in Berlin stattfand. Ein Kurzbericht findet sich auf Seite 6 in dem INFO Nr. 73 des Berliner Komitees für UNESCO-Arbeit e.V.
Bis 2022 wurde die UNESCO-Konvention von 194 Vertragsstaaten ratifiziert – eine Zahl, die höher ist als die Zahl der UNESCO-Mitglieder. Darüber hinaus erreichte die Anzahl der derzeit eingeschriebenen Welterbe-Stätten 1.154; über 1.700 Stätten stehen auf der Tentativliste für zukünftige Einschreibungen. Zweifellos gehören diese Aktivitäten zu den erfolgreichsten der UNESCO. Dennoch wird zunehmend Kritik laut im Zusammenhang mit der inflationären Zunahme der Einschreibungen, dem Mangel an Finanz-Mitteln und dem regionalen Ungleichgewicht zugunsten Europas und Nordamerikas.
Das Buch, es handelt sich um Band 9 in der von dem Institute Heritage Studies (IHS) in Berlin initiierten Heritage Studies Reihe, enthält38 Beiträge von 56 Autoren aus 28 Ländern unter der Leitung von fünf Herausgeberinnen und Herausgebern. Es besteht aus drei Teilen: Teil I beginnt mit einer von den Herausgebern verfassten Einleitung. Sie betonen als Gesamtbotschaft des Buches, dass "die Zerstörung des Erbes identitätszerstörend ist" und "gemeinsame Verantwortung daher unsere gemeinsame Aufgabe für die Zukunft ist". Der zweite Aufsatz befasst sich mit der historischen Entwicklung der Arbeit des Welterbe-Komitees. Die Autorin lenkt die Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen der Ignoranz gegenüber kolonialer Plünderungen und fordert eine dringend notwendige Einbeziehung der Zivilgesellschaft.
Teil II ist bei weitem am umfangreichsten. Er enthält 30 Artikel, die nicht einzeln dargestellt werden können. In diesem Teil wird betont, dass die Zerstörung des Erbes mehrdimensional ist. Er enthält theoretische Überlegungen sowie Fallstudien, die in folgende sechs Abschnitte unterteilt sind: 1. Global Governance, 2. Urbane Transformation, 3. Krieg und Terrorismus, 4. Klimawandel, 5. Technologischer Wandel und 6. Kommodifizierung des Erbes. Dieser Teil spiegelt ein breites Spektrum von Maßnahmen wider, die zum Schutz des Kulturerbes erforderlich sind. Gleichzeitig werden viele unterschiedliche theoretische Ansätze verwendet, welche die von den Herausgeberinnen und Herausgebern beabsichtigte zugrunde liegende multidisziplinäre Grundlage verdeutlichen.
Der letzte Teil III enthält sechs Aufsätze mit dem Ziel, "übermorgen" vorherzusagen. Mehrere Themen wie gemeinsame Verantwortung, Versöhnung, Nachhaltigkeit und Bildung werden wieder aufgegriffen. Dieser Teil III schließt mit zwei Aufsätzen. Der erste Aufsatz schildert die Perspektiven von Young Professionals, welche die "Transformation von einem Experten dominierten Konzept zu einem Projekt für die Menschen" fordern. Der zweite und letzte Artikel befasst sich mit der zentralen Botschaft des Buches und seiner Herausgeberinnen und Herausgebern. Es geht um eine ausgewogenere regionale Verteilung der Welterbe-Stätten, um die entsprechende Zusammensetzung der Entscheidungsgremien sowie um die Vereinbarkeit von wirtschaftlichen Interessen mit den Erhaltungs- und Entwicklungsbedürfnissen und um eine engere Zusammenarbeit zwischen Experten und der Zivilgesellschaft zur Lösung anstehender Klima- und Biodiversitätskrisen.
Zu Beginn des Buches finden sich ausführliche Lebensläufe der Herausgeberinnen und Herausgeber und der Mitwirkenden. Jeder Aufsatz beginnt mit einem Abstract und endet mit detaillierten Literaturhinweisen. Fast alle Aufsätze enthalten abschließende Bemerkungen. Das Buch schließt mit einem ausführlichen Index. Studien- und Lesestrategien können so zur Nutzung dieser Open-Access-Veröffentlichung ohne Schwierigkeiten entwickelt werden.
Die Autoren unternehmen eine äußerst detaillierte konstruktiv-kritische Reflexion der Umsetzung der Welterbe-Konvention. Im Grunde "glauben" sie an die Macht der UNESCO-Konvention. Obwohl sie oftmals der zunehmenden Politisierung kritisch gegenüberstehen, werden alternative politische Lösungen nicht diskutiert, die entweder eine institutionelle Reform der UNESCO oder sogar eine Entkopplung von politischen Entscheidungsmechanismen implizieren würden. Aber ein entsprechendes Projekt befindet sich bereits in der Planungsphase.
Klaus Hüfner